Studie: Virtuelle HV als Post-Covid-Phänomen

#Digital Business Communications (MA) #Studierenden-Projekt

Der Master Studiengang Digital Business Communications der FH St. Pölten beschäftigt sich bereits im zweiten Jahr mit der virtuellen Hauptversammlungspraxis. Im Jahr 2021 beleuchteten wir, wie Unternehmen den pandemiebedingt plötzlichen Umstieg von der Präsenz-HV auf virtuelle HV bewältigt haben. Im WS 2021/22 widmeten sich Studierenden im Forschungslabor der Frage, wie sich die Umsetzung der virtuellen HV im Vergleich dazu im zweiten Jahr gestaltet und verbessert hat – rechtlich, technisch und organisatorisch. Im SS 2022 haben die Studierenden im Praxislabor ein Webinar veranstaltet, in dem sie die Forschungsergebnisse präsentiert und bei einer virtuellen Podiumsdiskussion mit hochkarätigen Gäst*innen, IR-Manager*innen, Aktionärsvertreter*innen und Service Providern, diskutiert haben.

Virtuelle Hauptversammlung – gekommen, um zu bleiben?

Im Jahr 2021 wurde bereits die zweite Hauptversammlungs-Saison in Folge virtuell durchgeführt. Was hat sich zu 2020 verändert und was wiederholte sich? Und wie geht es mit der virtuellen Durchführung weiter? Diese Fragen diskutierten wir mit Aktionär*innen, Unternehmen und Service Providern. Es bleibt spannend. 

Ein Beitrag von Van Franziskus Le und Jan MüllnerStudierende des Masterstudiengangs Digital Business Communications.

Zweite virtuelle Saison in Folge

Im Jahr 2019 fanden Hauptversammlungen noch in Präsenz statt. Durch die COVID-19-Pandemie hat sich das im Jahr 2020 schlagartig verändert. So wie sich Meetings in den virtuellen Raum verschoben haben, taten es auch die Hauptversammlungen. In der Studie von Kovarova-Simecek, Loidl & Klinz (2021) wurde bereits gut beleuchtet, wie Aktionär*innen, Unternehmen und technische Dienstleister*innen in Österreich und Deutschland und in den unterschiedlichen Indices auf diese Umstellung in der HV-Saison 2020 reagierten. Diese Studie knüpft daran an und beleuchtet die HV-Saison 2021 mit ihren rechtlichen, technischen und prozessualen Implikationen.

Rechtliche Anpassungen, aber noch lange kein Optimum

Der rechtliche Rahmen für Hauptversammlungen blieb im Vergleich zum Vorjahr im Wesentlichen unverändert. In Österreich wurde das COVID-19-GesG in Bezug auf Hauptversammlungen lediglich verlängert. In Deutschland hingegen wurde das COVID-19-Notfallgesetz zugunsten der Aktionär*innen angepasst. Die Einreichfrist von zwei Tagen vor der Hauptversammlung wurde auf einen Tag halbiert. Die Reaktionen darauf fielen unterschiedlich aus. Während Unternehmen einen Missbrauch des Fragerechts befürchten, sind Aktionär*innen weiterhin unzufrieden mit den Fragemöglichkeiten bei virtuellen Hauptversammlungen.

Es lief… und durchaus besser!

Im Jahr 2021 wurden erneut fast ausschließlich – und ohne Verschiebungen – virtuelle Hauptversammlungen durchgeführt. Im zweiten Durchlauf kannten die meisten Unternehmen bereits die Abläufe, technisch und organisatorisch. Dass aus der Erfahrung von 2020 einige Learnings mitgenommen wurden und es 2021 besser lief, kann durchaus angenommen werden.

Tatsächlich konnten sich nicht nur Unternehmen auf die zweite virtuelle HV-Saison besser vorbereiten. Auch die technischen Dienstleister*innen sammelten im Jahr 2020 Erfahrungen und passten ihre Prozesse sowie ihr Angebot für 2021 an. Das Zusammenspiel zwischen Unternehmen und technischen Dienstleister*innen funktionierte dadurch besser als im Jahr zuvor. Auf der technischen Ebene waren auch Aktionär*innen durchaus zufrieden.

Die (Un)geduld der Aktionär*innen

Wie sehen Aktionär*innen aber letztlich die zweite virtuelle HV-Saison? Für Privataktionär*innen hat sich wenig verändert. Darin liegt allerdings auch genau das Problem. Durch die virtuelle Durchführung wurden die Aktionärsrechte teilweise stark beschränkt. Das Fragrecht sticht hierbei besonders hervor. Während früher die Hauptversammlung als die beste Möglichkeit galt, um Fragen an das Unternehmen zu richten und über wichtige Themen zu diskutieren, können bei virtuellen Hauptversammlungen die Fragen meist nur vorab gestellt werden, was kaum Nachfragen und Diskussionen ermöglicht. Auch der Austausch zwischen Aktionär*innen ist stark eingeschränkt durch die virtuelle Durchführung.

Im Jahr 2020 wurden diese Einschränkungen aufgrund der neuen Ausnahmesituation hingenommen. Mit fortschreitender Dauer werden diese Umstände allerdings nachhaltig problematisch für die Aktionärskultur.

Jedoch bringt die virtuelle Hauptversammlung auch Vorteile. So sei es wesentlich einfacher möglich an möglichst vielen Hauptversammlungen teilzunehmen. Anstelle einer persönlichen Anreise reicht das Einschalten des PCs, um die Hauptversammlung verfolgen zu können.

HV-Saison 2022 und darüber hinaus

Unabhängig von Vorteilen, Nachteilen und Verbesserungsvorschlägen beider Seiten: die Hauptversammlung 2022 wird vielerorts noch virtuell stattfinden. Die rechtlichen Sonderregelungen wurden in Deutschland bis 31. August und in Österreich bis 30. Juni 2022 verlängert. Darüber hinaus soll die Möglichkeit der virtuellen Durchführung dauerhaft Eingang ins Aktiengesetz finden. In Deutschland gibt es dazu bereits einen Gesetzesentwurf. Die virtuelle Durchführung stellt für Unternehmen eine effizientere Form der Hauptversammlung dar, Aktionär*innen und ihre Vereinigungen werden die dauerhafte Etablierung allerdings nur mit der Ausübung ihrer Rechte dulden.

Ein Format für die Zukunft könnte die hybride Hauptversammlung sein. Diese würde Aktionär*innen die Teilnahme in Präsenz sowie virtuell ermöglichen. Damit würden sowohl die Bedürfnisse der Interaktion sowie der Effizienz abgedeckt werden. Für Unternehmen gestaltet sich die hybride Hauptversammlung allerdings kostspielig, da zwei verschiedene Durchführungen zu bewerkstelligen wären. In Zukunft könnte dieses Szenario bei sinkenden Kosten aber auch für Unternehmen attraktiver werden.

Die Zusammenfassung und die Ergebnisse der Studie finden Sie auf unserem Infogram.