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Über die Kunst der authentischen Kommunikation in dynamischen Zeiten und prägende Erfahrungen in der Unternehmenswelt
Master-Studiengang Digital Business Communications
Copyright: Marek Knopp |
Peter N. Thier, Kommunikationsleiter der ÖBB, erst kürzlich zum vierten Mal zum Unternehmenssprecher des Jahres gekürt, im Gespräch mit Isabella Steiner, Katharina Pöschl und Katharina Tauber vom Master-Studiengang Digital Business Communications der FH St. Pölten. |
Im Interview: Peter N. Thier
Herr Thier, wie gelingt es Ihnen, in einem so dynamischen Umfeld die Balance zwischen Authentizität und der Übermittlung komplexer Botschaften zu finden, und dabei auch noch alle Stakeholder adäquat anzusprechen?
Eine entscheidende Komponente, die meiner Erfahrung nach maßgeblich zum Erfolg beiträgt, ist die langjährige Beziehung zu Journalist*innen. Diese entwickelt sich nicht über Nacht, sondern über viele Jahre hinweg. Viele unserer Sprecher*innen, einschließlich meiner selbst, haben journalistischen Hintergrund und verstehen, dass Geschwindigkeit ein entscheidender Faktor ist, um von Journalist*innen positiv bewertet zu werden. Daher ist es wichtig, zügig, umfassend und in der gewünschten Form zu antworten.
Ein weiterer Aspekt betrifft die Bereitschaft, sich den verschiedenen Medienformaten anzupassen. Während schriftliche Antworten für Printjournalist*innen ausreichen mögen, ist bei TV- und Radiojournalist*innen die Bereitschaft zu TV- und Radio-Interviews erforderlich.
Zu guter Letzt spielt die Aufbereitung der Informationen eine entscheidende Rolle. Es ist essenziell, die Informationen so zu präsentieren, wie es die Journalist*innen benötigen. Die Botschaft muss dem Medium entsprechen und in einer klaren, verständlichen Alltagssprache formuliert sein.
Welche Schlüsselerfahrungen haben Ihre Karriere bis jetzt geprägt und beeinflusst?
Es gibt zahlreiche prägende Schlüsselerlebnisse in meiner langjährigen beruflichen Laufbahn. Ein besonders bedeutendes Ereignis war für mich die Krisenerfahrung im Zusammenhang mit den Austrian Airlines während der COVID-19-Pandemie. In einem ersten Schritt ging es darum, gestrandete Bürger*innen im Ausland zurückzuführen, und im zweiten Teil darum, das Überleben des Unternehmens zu sichern, da die Austrian Airlines aufgrund der geltenden Bestimmungen nicht mehr fliegen durften.
Die Herausforderungen in dieser Krisensituation waren vielschichtig. Die Existenz des Unternehmens stand auf dem Spiel, und es war erforderlich, mit sehr sensiblen Themen umzugehen. Die Medien zeigten ein enormes Interesse, und es gab Tage, an denen Journalist*innen von früh bis spät vor Ort waren. Die Situation erforderte ein besonderes Geschick im Umgang mit unangekündigten Kameraaufnahmen und Mikrofonen.
In dieser Phase wurden Veranstaltungen mit Tausenden von Mitarbeiter*innen abgehalten, um das hohe Interesse zu bedienen. Es war eine Schlüsselerfahrung, plötzlich im Fokus der gesamten Aufmerksamkeit zu stehen und die Kommunikation inhaltlich anders zu gestalten als in normalen Situationen. Statt einer pushy und populistischen Sprache war es notwendig, äußerst gewählt und vorsichtig zu kommunizieren. Eine falsche Äußerung konnte leicht missinterpretiert werden, insbesondere bei Fragen zur Insolvenz, die zu den Hauptthemen gehörten. Diese Erfahrung hat gezeigt, wie wichtig es ist, in Krisenzeiten äußerst bedacht und präzise zu kommunizieren.
Ihre Karriere hat Sie bereits durch bedeutende Positionen in unterschiedlichen Unternehmen wie den ÖBB, der Erste Bank und Austrian Airlines geführt. Welche Unterschiede oder Gemeinsamkeiten hat es zwischen den Branchen gegeben?
Sowohl die Erste Bank als auch die Bank Austria agieren in ihrer Kommunikation als Unternehmen eher zurückhaltend und diskret, insbesondere wenn es um kritische Themen geht. Luftfahrt- und Eisenbahnunternehmen hingegen sind es gewohnt, regelmäßig im öffentlichen Diskurs und Austausch zu stehen, da täglich unvorhersehbare Ereignisse auftreten können, wie Unwetter, Streiks oder andere Zwischenfälle, die sofortige Kommunikation erfordern. Die unterschiedliche Kultur und Managementausrichtung spiegeln sich auch in der Herangehensweise an die Kommunikation wider.
Was waren für Sie die größten Herausforderungen beim Wechsel zwischen den Branchen?
Fachlich betrachtet ähneln sich die Bereiche der Kommunikation in verschiedenen Branchen sehr, da die Mechanik und das Fachwissen im Wesentlichen dasselbe sind. Die Unterschiede liegen eher in den spezifischen Inhalten, die jedoch schnell erlernt werden können, insbesondere wenn man journalistisch vorgebildet, neugierig und offen ist. Innerhalb von sechs bis neun Monaten kann man sich mit den branchenspezifischen Themen vertraut machen und diese verstehen.
Ein wesentlicher Unterschied liegt möglicherweise im Grad der Exponiertheit. Während beispielsweise die Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) täglich Presseaussendungen verschicken und somit regelmäßig im Fokus stehen, veröffentlicht eine Bank möglicherweise nur einmal im Monat eine Mitteilung, und das mit einer sehr durchdachten Herangehensweise. Der Tiefgang der Kommunikation unterscheidet sich somit je nach Branche und deren individuellem Kommunikationsstil.
Was macht für Sie eine gute Kommunikationsstrategie aus?
Die Auswahl einer geeigneten Kommunikationsstrategie ist von entscheidender Bedeutung und muss eng mit dem jeweiligen Unternehmen, seiner Strategie und der Persönlichkeit der Geschäftsführung abgestimmt sein. Es existiert nicht die eine allgemeingültige Kommunikationsstrategie, sondern vielmehr muss diese individuell auf das Unternehmen zugeschnitten sein. Zudem unterliegt sie zeitlichen Einflüssen, insbesondere in Phasen wie einer Pandemie, einer Finanzkrise oder einer Rezession. Die Kommunikation muss in solchen Zeiten kohärent und angepasst sein.
Ein konkretes Beispiel verdeutlicht die Notwendigkeit dieser Abstimmung: Wenn ein Unternehmen gerade mit Problemen hinsichtlich Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit konfrontiert ist, wäre es unangebracht, in dieser Zeit ein Lifestyle-Interview mit dem CEO zu führen. Hier kommt es auf das richtige Timing und Feingefühl an. Die Kommunikationsstrategie muss folglich nicht nur zur Unternehmensstrategie passen, sondern auch situationsabhängig und zeitgemäß gestaltet sein.
Sie bewegen sich in Welten, die von vielen Mikrokrisen betroffen sind. Wie können diese Krisen kommunikativ aufgefangen werden? Was kann die Kommunikation leisten, um das Vertrauen in das Unternehmen dennoch aufrechtzuerhalten?
Die entscheidende Antwort auf Krisensituationen liegt aus meiner Sicht in einer offenen Kommunikation. In der heutigen aufgeklärten Gesellschaft, in der Menschen leicht Zugang zu Informationen im Internet erhalten, ist es essenziell, keine Mauern zu errichten, sondern jedes Thema offen und aktiv anzusprechen. Durch einen ehrlichen Dialog können sowohl Mikrokrisen als auch größere Krisen erfolgreich bewältigt werden. Dieser Dialog sollte stets mit allen relevanten Stakeholdern geführt werden, darunter Mitarbeitende, Journalist*innen, Eigentümer*innen, Politiker*innen und die Fangemeinde.
Ein gelungenes Beispiel aus der Praxis stammt von den Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB), die ihre Kommunikationsstrategie erfolgreich angepasst haben. Statt Bilanzpressekonferenzen ausschließlich nach außen zu richten, wurden vor großen Pressekonferenzen Mitarbeiterveranstaltungen durchgeführt. Dabei wurden den Mitarbeiter*innen die bevorstehenden Vorhaben erläutert. Dieser Ansatz wurde positiv aufgenommen und dient als Beispiel für die zielgerichtete Betreuung unterschiedlicher Zielgruppen.
Auch in heiklen Situationen wie Kollektivvertragsverhandlungen setzten die ÖBB auf offene Kommunikation. Das Personal wurde in sogenannten "Townhall Meetings" aktiv eingebunden, wobei der Vorstand Fragen beantwortete. Diese hybrid gestalteten Veranstaltungen erfreuten sich großer Teilnahme, etwa mit 3.000 beteiligten Personen. In Krisenzeiten betont die goldene Regel die Wichtigkeit, aktiv in die Kommunikation einzutreten und transparent Informationen zu teilen.
In der Unternehmenskommunikation gibt es technologisch bedingt viele dynamische Veränderungen. Wie passt sich die ÖBB diesen Entwicklungen an?
Der Wandel in der Unternehmenskommunikation in den letzten 25 Jahren war radikal und vielschichtig. Mit dem Aufkommen von neuen Kommunikationsinstrumenten wie sozialen Medien oder dem Intranet hat sich die Kommunikationslandschaft erheblich erweitert. Unternehmen haben ihre Kommunikationsabteilungen umstrukturiert, Mitarbeiter*innen spezialisiert und in neue Fähigkeiten ausgebildet, angefangen von Videoproduzent*innen bis zu Grafiker*innen.
Die Einführung von internen Social-Media-Plattformen wie Viva Engage hat es ermöglicht, Videos zu teilen, Umfragen durchzuführen und mehr. Das Spektrum der Kommunikation ist größer geworden, und die Fertigkeiten der Mitarbeitenden haben sich von reinen Texter*innen zu Multimediaspezialist*innen gewandelt. Die Anforderungen an zukünftige Mitarbeiter*innen betonen verstärkt technisches Know-how, insbesondere im IT-Bereich.
Zudem wird erwartet, dass Werbung und Kommunikation immer stärker miteinander verschmelzen. Kampagnen sind nicht mehr nur auf Radio und TV beschränkt, sondern integrieren sich feingliedrig in soziale Medien. Die Grenzen zwischen redaktionellen Inhalten und Werbung verschwimmen, was eine zunehmende Bedeutung von werblichen Kenntnissen mit sich bringt.
Das Thema Nachhaltigkeit gewinnt stark an Bedeutung. Die ÖBB ist hier im Vergleich zu anderen Unternehmen klar im Vorteil. Wie kommunizieren Sie diesen Mehrwert effektiv an die Stakeholder?
Die Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) verfügen über einen klaren Vorteil in ihrer Unternehmenskommunikation, da Umweltfreundlichkeit bereits tief in ihrer Unternehmenskultur verwurzelt ist. Die Mitarbeiter*innen identifizieren sich natürlicherweise mit diesen umweltfreundlichen Prinzipien, was eine authentische Kommunikation ermöglicht. Anders als Unternehmen mit einer "angemalten Fassade" profitieren die ÖBB von ihrer authentischen 100-jährigen Umweltorientierung. Diese Positionierung wird in der Kommunikationsstrategie genutzt, indem sie Themen wie umweltfreundlichen Verkehr und grüne Energie in Presseaussendungen und Werbekampagnen betonen.
Wie sehen Sie die Zukunft der Unternehmenskommunikation? Stichwort Digitalisierung, Soziale Medien und vor allem KI?
Die Kommunikationslandschaft steht vor wachsenden Herausforderungen und wird zunehmend komplexer. Die Zeiten der einfachen, monothematischen Kommunikation sind vorbei und es wird eine verstärkte Diversifizierung erwartet. Unternehmen müssen eigene Plattformen aufbauen, um direkt mit ihren Stakeholdern kommunizieren zu können.
Die Tendenz zur Professionalisierung in der Kommunikation wird weiter steigen, während gleichzeitig eine Deprofessionalisierung in Medien und PR diskutiert wird. Unternehmen müssen sich auf die Produktion hochwertiger Inhalte konzentrieren. Die Möglichkeit, selbst produzierte Inhalte an Medien wie den ORF zu senden, wird als wahrscheinlich angesehen. Dies stellt eine ethische und moralische Frage dar, da die betroffenen Parteien selbst für ihre Kommunikation verantwortlich sind. Die Diskussion über die Rolle von Journalist*innen und PR in dieser sich verändernden Landschaft wird intensiver werden.Insgesamt wird die Produktion von Inhalten zunehmend von den betroffenen Unternehmen übernommen.
Weitere Informationen:
- Studiengang
Der berufsbegleitende Master-Studiengang Digital Business Communications bereitet ideal für Karriere in Corporate Communications, Public und Investor Relations oder Sustainability Communications vor. Bei Fragen wenden Sie sich gerne an Studiengangsleiterin Monika Kovarova-Simecek.
- Expert*inneninterviews
Weitere interessante Interviews finden Sie in der Rubrik "Expert*inneninterviews".