Digitalisierung und Sustainability in der Investor Relations

Master-Studiengang Digital Business Communications

Porträt Diana Neumüller-Klein

    Im Gespräch mit Dr. Diana Neumüller-Klein, CFA, Leiterin der Konzernkommunikation und Head of Investor Relations der STRABAG SE sowie stv. Vorstandsvorsitzende von C.I.R.A. sprechen wir über das Thema "Digitalisierung und Sustainability in der Investor Relations".

    Im Interview: Expertin Diana Neumüller-Klein

    Frau Dr. Neumüller-Klein, Sie leiten seit 12 Jahren die Investor Relations der STRABAG SE, sind der IR seit 16 Jahren verbunden, sind im Vorstand des österreichischen IR-Fachverbands C.I.R.A. Was macht für Sie die IR-Arbeit so interessant?

    Der Reiz besteht sicher darin, dass die IR-Arbeit ständigen Veränderungen unterliegt. Die Rahmenbedingungen, die Struktur der Branche verändern sich, die Menschen verändern sich, die Technologien verändern sich.

    Durch meine Mitgliedschaft im Vorstand von C.I.R.A. – aber auch durch die aktive Mitarbeit in diesem Verband ganz unabhängig von der Vorstandstätigkeit –, gelingt es mir doch, diesen Veränderungen nicht hinterherzuhinken, indem ich sie aktiv mitgestalte. Dass man wirklich einen Unterschied machen kann, in einem Bereich, der die Arbeit von sehr vielen Menschen anbelangt, ist bestimmt ein Anreiz.

    Als Sie in die Investor Relations gekommen sind, haben Sie Erfahrungen aus anderen Sphären der Finanzkommunikation mitgebracht. Inwieweit hat Ihnen die Zeit bei der APA, wo sie in der Börsenberichterstattung tätig waren, oder auch bei der Raiffeisen, wo sie als Analystin gearbeitet haben, in ihre Tätigkeit als IR-Managerin geholfen? Zuerst bei der OMV und später bei der STRABAG?

    Investor Relations ist eine perfekte Symbiose aus Kommunikation und dem Finanzbereich. Insofern hat mich die APA sehr gut darauf vorbereitet, was die Allgemeinheit hören will. Was ist eine Geschichte, was ist keine Geschichte? Wie vermittelt man die Botschaft? Wie bleibt man kurz und knackig, wird nicht ausschweifend? Das war schon eine tolle Schule, auch was das Schreiben betrifft. Und Raiffeisen hat mich strukturiert arbeiten gelehrt.

    In dieser Zeit nahm vor allem die Digitalisierung in der Investor Relations Fahrt auf. Auch Sustainability wurde zu einem mitbestimmenden Faktor der IR-Arbeit. Wie nehmen Sie diese beiden Aspekte wahr? Wie beeinflussen sie die IR? Worin sehen sie ihre Potenziale?

    Die Digitalisierung ist überraschenderweise zunächst einmal eher limitierend. Das Potenzial zeigt sich erst auf den zweiten Blick, denn die Finanzbranche war ja immer schon vergleichsweise digital – im Unterschied zu anderen Branchen. Und auch lange, bevor die allgemeine Kommunikation digital wurde. Das Aufkommen zahlreicher neuer Kanäle hat erst einmal dazu geführt, dass Unternehmen mehr Ressourcen brauchen, um in einem härteren Aufmerksamkeitswettbewerb bestehen zu können. Denn die Aufmerksamkeit der Akteur*innen am Kapitalmarkt ist die limitierte Ressource. Das ist nicht nur der Digitalisierung geschuldet. In den vergangenen Jahren wurden die Ressourcen im Research [in der Finanzanalyse, Anm.] stark gekappt.

    Auf der anderen Seite bringt die Digitalisierung den Vorteil, dass man neue Gruppen von Investor*innen erreicht. Bei Roadshows kann man andere Märkte bedienen, die man früher aus Gründen der Reisetätigkeit nicht hätte bespielen können. Wir können ganz neue Gruppen von z. B. privaten Anleger*innen ansprechen, die vielleicht keine große Lust haben, Veranstaltungen zu besuchen. Sie sind für Unternehmen jetzt über andere Kanäle erreichbar.

    Und Sustainability?

    Das Thema Sustainability prägt die Investor Relations insofern, als es noch eine Differenzierungsmöglichkeit für Unternehmen bietet. Noch ist es nicht so, dass alles reguliert und damit vorgegeben wäre. Die Unternehmen, die wirklich Programme aufgesetzt haben, um das Geschäft an sich nachhaltiger zu machen, können es auch stark und sehr gut kommunizieren. Sie können sich durch Sustainability – noch – differenzieren.

    Die Potenziale werden also durchaus wahrgenommen. Aber wie schätzten Sie den Stand der Dinge in Bezug auf Digitalisierung und Sustainability ein? Wo stehen wir? Wo geht die Reise hin?

    Die Digitalisierung setzt sich in der Investor Relations meiner Ansicht nach dort durch, wo sie Effizienz bringt. In den vergangenen zwei Jahren haben wir gespürt, wie wenig der Wechsel auf digitale Formate wehtut, wenn er alternativlos ist, wenn sich genügend Menschen finden, für die die Vorteile die Nachteile überwiegen. Ein Beispiel dafür sind virtuelle Veranstaltungen jegliche Art. Auch wenn virtuelle und digitale Formate aktuell großes Konfliktpotenzial bergen, sind sie dort ein Thema, wo Effizienz eine große Rolle spielt.

    Ein Beispiel, bei dem Effizienz nicht so eine große Rolle spielt, ist Social Media. Derzeit gibt es einige Unternehmen, die hier sehr viele Ressourcen einsetzen und sich mit einem sehr professionell gestalteten Auftritt, zum Beispiel auf LinkedIn, von anderen börsennotierten Unternehmen unterscheiden. Da geht es um Markenbildung. Das braucht viele Ressourcen, Social Media Präsenz ist nicht umsonst. Social Media ist nur dann gratis, wenn die eigene Zeit nichts wert ist. Man muss also sehr genau und am besten datenbasiert – das geben die neuen Formate her – evaluieren, ob die Zeit und das Geld, das man hier einsetzt, dort auch am besten aufgehoben sind.

    Wann wären Ressourcen für Social Media aus Ihrer Sicht gut investiert?

    Aktuell ist es in jedem Fall noch so, dass man sich durch einen guten Social Media Auftritt von den Mitbewerbern abhebt. Und wenn Präsenz für ein Unternehmen ein Ziel darstellt, um eine Barriere zu Kunden*innen oder Stakeholdern abzubauen, dann sind die Ressourcen dort gut investiert.

    Und wohin wird sich Sustainability Communications hin entwickeln?

    Dass Sustainability eine Differenzierungsmöglichkeit darstellt, habe ich schon angesprochen. Doch die sehr vielen regulatorischen und rechtlichen Vorgaben, die hinzugekommen sind, führen dazu, dass eine gewisse Uniformierung in der Nachhaltigkeitskommunikation droht, dass das Thema Nachhaltigkeit zu einer Checklisten-Veranstaltung wird.

    Auf der einen Seite ist diese Entwicklung für die Investor Relations ungünstig, weil sich Unternehmen nicht mehr über Sustainability positionieren oder differenzieren können. Auf der anderen Seite entsteht dadurch aber auch ein enormer Druck, sodass vielleicht in der Sache an sich, also beim Ziel des nachhaltigeren Wirtschaftens, etwas weitergeht.

    Die Baubranche, in der sie so lange tätig sind, zählt zu den digitalisierungsstärksten Industrien. Wie hat die Digitalisierung die Kultur bei der STRABAG konkret verändert? Wie können wir uns das vorstellen?

    Dazu muss man zunächst sagen, dass die Baubranche enorm viel nachzuholen hatte. Bis vor Kurzem war die Baubranche laut einer Studie von Roland Berger eine der unproduktivsten. Wir haben uns schon vor einigen Jahren zum Ziel gesetzt, das zu ändern.

    In der Baubranche ist jedes Projekt ein Unikat. Sie müssen sich jedes Mal zu einem neuen Team mit neuen Menschen, mit neuen Systemen etc. zusammenfinden. Da ist es unabdingbar, dies mit digitalen Mitteln zu unterstützen.

    Früher hatten wir für jedes Gebäude einen Papierplan. Wenn sich etwas geändert hat, mussten 15 weitere Papierpläne geändert werden, bei STRABAG und bei Subunternehmen. Die Folge waren sogenannte Clashes. Ein Clash wäre beispielsweise, wenn bei einem Bauprojekt der Installateur kommt, um ein Rohr zu verlegen, und feststellt, dass es gar nicht geht, weil eine Wand im Weg ist. Das sollte mit den heute angewandten digitalen Methoden und Tools, wie zum Beispiel dem Building Information Modelling, nicht mehr passieren. Die Clashes werden entdeckt, bevor mit dem Bau überhaupt begonnen wird. Aus dem Grund ist STRABAG von Kopf bis Fuß auf Digitalisierung eingestellt.

    Hat der Digitalisierungsschub auch das Mindset in der Investor Relations bei der STRABAG verändert?

    Seit 2020 hat STRABAG als erstes Bauunternehmen einen CDO, einen Chief Digital Officer, im Vorstand. Er und sein Team treiben die Digitalisierung natürlich sehr stark im Unternehmen voran und halten auch alle Abteilungen dazu an, Digitalisierungsprojekte vorwärtszubringen – und dazu gehört auch Investor Relations.

    Wir in der Investor Relations haben uns zuerst überlegt, wo Digitalisierung wirklichen Mehrwert bringen kann. Welche Tätigkeiten lassen sich überhaupt standardisieren und automatisieren? Und was bringt es? Sind gewisse Digitalisierungsthemen nur ein Trend, der gar keine so großen Effizienzgewinne bringt? So etwas lassen wir außen vor und konzentrieren uns auf die Themen, die wir rasch auf den Weg bringen können, auch im Sinne von agilem Management.

    Was wir bei der STRABAG nicht wollen – und das gilt auch in meiner Abteilung – sind große Digitalisierungsprojekte, die viele Jahre in Anspruch nehmen und bei denen man deshalb nicht weiß, ob sie in fünf Jahren überhaupt noch zielführend gewesen sein werden. Das bedeutet, wir sind nicht darauf aus, revolutionäre Veränderungen herbeizuführen, eher kontinuierliche Verbesserung anstatt der großen Revolution.

    Wenn Sie auf die 16 Jahren in der Investor Relations zurückblicken, wie hat sich die IR sonst verändert, von den zwei Themen Digitalisierung und Sustainability abgesehen?

    Als ich begonnen habe, sind noch Faxe verschickt worden. Die Quartalsaussendungen wurden z. B. auch per Fax versendet. Das gibt es heute nicht mehr. Nachhaltigkeit war überhaupt kein Thema. Ganz im Gegenteil, da gab es Hochglanzbroschüren mit Plastikfolie. Früher war es auch so, dass man einzelne Investor*innen persönlich relativ gut kannte, man hat immer die gleichen Destinationen bedient, immer die gleichen Leute gesehen und die waren immer sehr interessiert.

    Heute ist es so, dass ein sehr großer Teil der Investor*innen auf passive Investments umgestiegen ist. Das bedeutet, dass hier nicht mehr Menschen die Entscheidungen treffen, sondern dass man sich einfach an die Indizes hält. Die Art des persönlichen Umgangs hat sich sehr stark gewandelt. Es sind jetzt deutlich weniger Menschen, mit denen IR-Manager*innen in persönlichem Kontakt sind, dieser Kontakt hat sich aber intensiviert. Viele andere sieht man vielleicht nur ein einziges Mal bei einer Roadshow. Diese interessieren sich mehr für die Branche und weniger für das Unternehmen.

    Und nicht zuletzt die Regulatorik, die sich laufend verändert. Wobei es vor allem die Geschwindigkeit ist, mit der sich die Regulatorik geändert, die die Investor Relations fordert. Früher waren alle Regelungen, an die sich ein börsennotiertes Unternehmen halten musste, in einem Ordner zusammengefasst. Das ist heute undenkbar.

    Was bedeutet dieser beschleunigte Wandel für IR-Manager*innen? Welche Kompetenzen und Skills, welches Wissen werden IR-Manager*innen künftig brauchen?

    IR-Manager*innen müssen mit Unsicherheit umgehen und die Veränderungen mittragen können. Das heißt auch, damit umgehen zu können, nicht zu wissen, wie die Vorgaben in fünf Jahren aussehen werden oder wie Menschen dann bevorzugt kommunizieren werden. Daher ist Weitblick gefordert. Früher konnte man in kleinen Schritten vorausdenken. Heute müssen die Schritte größer sein. IR-Manager*innen müssen in großen Schritten denken.

    Sie müssen die Veränderungen rund um sich beobachten, sich bewusst fragen, was Veränderungen in anderen Bereichen für die IR bedeuten könnten. Das ergibt sich alleine dadurch, dass es sehr viele unternehmensinterne und -externe Schnittstellen gibt. Für die Investor Relations ist es z.B. wichtig, wie sich das Reporting entwickelt.

    IR-Manager*innen müssen interdisziplinär und im Team arbeiten können, was eine sehr hohe Sozialkompetenz voraussetzt. Und natürlich braucht es sowohl das sprachliche Gefühl als auch die Affinität zu Zahlen, wobei die Affinität zu Zahlen etwas ist, was früher weitaus wichtiger war als jetzt. Es ist natürlich unabdingbar, dass IR-Manager*innen sich mit Zahlen auskennen. Aber zusätzlich kommt jetzt noch dazu, dass man einen kreativen Teil in sich haben muss, weil man in einem Umfeld, wo Aufmerksamkeit eine limitierte Ressource ist, dennoch die Menschen erreichen muss, sich mit Menschen befassen, sich auf sie einstellen muss. Und nachdem Investor Relations global stattfindet, braucht es natürlich solide Englischkenntnisse.

    Wenn Sie neue Mitarbeiter*innen für die IR-Abteilung der STRABAG suchen, worauf achten Sie? Was sind für Sie die entscheidenden Schlüsselkompetenzen? Anders gefragt: Was müssen unsere Absolvent*innen mitbringen, wenn sie ihren beruflichen Weg in der Investor Relations eines global tätigen Unternehmens einschlagen wollen?

    Ganz konkret würde ich mich für jemanden entscheiden, der oder die einen Jahresabschluss lesen und das Fazit ausgezeichnet ausdrücken kann, der*die wunderschöne Powerpoint-Präsentationen macht und sich auch aus privatem Interesse heraus mit neuen Technologien und Kommunikationsmedien auseinandersetzt. Also für jemanden, der*die wirklich aktiv diese Veränderungen verfolgt.

    Vielen herzlichen Dank für das Gespräch!

     
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    Der berufsbegleitende Masterstudiengang Digital Business Communications bereitet ideal für Karriere in Corporate Communications, Public und Investor Relations oder Sustainability Communications vor. Bei Fragen wenden Sie sich gerne an die Studiengangsleiterin Monika Kovarova-Simecek.

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    FH-Prof. Mag. Kovarova-Simecek Monika

    FH-Prof. Mag. Monika Kovarova-Simecek

    Stellvertretende Leiterin des FH-Kollegiums Studiengangsleiterin Digital Business Communications (MA) Studiengangsleiterin Digital Management und Sustainability (MA) Stellvertretende Studiengangsleiterin Management und Digital Business (BA) Department Digital Business und Innovation