Vom Corporate zum Scale-up: Wie gelingt nachhaltig relevante Kommunikation?

Master-Studiengang Digital Business Communications

Porträt Diana Neumüller-Klein

    Nicole Vogrin, Chief Corporate Affairs Officer bei waterdrop®, im Gespräch mit Sophie Pollhammer, Patrizia Schöppl und Johanna Wittner vom Master-Studiengang Digital Business Communications der FH St. Pölten.

    Im Interview: Expertin Nicole Vogrin

    Scale-ups sind dafür bekannt nah an Kund*innen zu operieren. Schnelles Wachstum führt zu steigender Komplexität, besonders in der Unternehmenskommunikation. Als ehemalige Chief Corporate Affairs & Communications Officer bei Western Union hat Nicole Vogrin die Möglichkeit, ihr Wissen über Corporate Communication im aktuell stark wachsenden Scale-up waterdrop® zu nutzen. Im Fokus steht für sie als Chief Corporate Affairs Officer die regelmäßige, zeitnahe und nachhaltige Kommunikation mit allen relevanten Stakeholdern.

    Nicole Vogrin, Sie sind derzeit Chief Corporate Affairs Officer bei waterdrop®. Können Sie uns einen Einblick geben, was dabei Ihre Aufgaben sind und welche Herausforderungen Sie derzeit meistern?

    Ganz richtig, ich habe bei waterdrop® den stark wachsenden Bereich der Corporate Affairs übernommen, der je nach Unternehmen unterschiedliche Verantwortlichkeiten umfasst. Zu der breiten Palette an Aufgaben zählen unter anderem Kommunikations-Agenden, teilweise rechtliche Aspekte, aber auch Sustainability-Themen. Bei waterdrop® ist es meine Aufgabe, eng mit dem Führungsteam zusammenzuarbeiten, um die Organisation weiterzuentwickeln und wachsen zu lassen. Mit dem Wachstum des Unternehmens, der steigenden Mitarbeiter*innenanzahl und der Expansion in neue Regionen und Märkte steigt aber auch die Komplexität. Hier bringe ich meine Erfahrungen hinsichtlich Prozessgestaltungen und den Governance-Ansatz von Western Union – einem großen, global agierenden Unternehmen – ein. Wichtig ist dabei auch, wie man diese Veränderungen kommunikativ begleitet. Kommunikation ist deshalb ein großes Thema in meiner täglichen Arbeit.

    Sie haben Ihre vorherige Tätigkeit bei Western Union als Chief Corporate Affairs & Communications Officer angesprochen. Was können Sie von Ihrer Erfahrung bei Western Union in Ihrer aktuelle Funktion bei waterdrop® mitnehmen?

    Ich nehme vor allem mit, was es bedeutet, ein globales Unternehmen zu führen, globale Prozesse und Synergien zu bauen und gleichzeitig lokal relevant und wirklich nah an den Kund*innen zu bleiben. In meiner Rolle bei Western Union habe ich sehr stark mit dem Aufsichtsrat zusammengearbeitet. Das hilft mir jetzt beim Aufbau eines unabhängigen Aufsichtsrats für waterdrop®. Zusammengesetzt aus erfahrenen Leuten, aktiven oder ehemaligen CEOs, CFOs oder Manager*innen, soll dieser dabei helfen, die Geschäftsstrategie und das Wachstum des Unternehmens in den kommenden Jahren zu begleiten.

    Apropos Stakeholder: Wie gestalten sich Investor Relations und Corporate Communication in einem Scale-up-Unternehmen wie waterdrop® im Vergleich zu einem etablierten Unternehmen wie Western Union? Welchen Unterschied machen dabei die Zielgruppen aus?

    In einem Scale-up-Unternehmen haben, wenn es um Kommunikation geht, zwei Stakeholdergruppen Priorität. Das sind einmal die Kund*innen, die Informationen zum Produkt, Service und der Marke wollen. Wie sprechen wir mit ihnen? Wie treten wir mit ihnen in Kontakt? Und wie gewinnen wir sie an erster Stelle? Das sind die entscheidenden Fragen hinsichtlich Kund*innennähe, die im Fokus von Scale-ups stehen, und bei denen ich mir auch bei großen, etablierten Unternehmen wünschen würde, dass sie ein wichtiger Schwerpunkt bleiben. Die andere wichtige Stakeholdergruppe, sowohl für Gründer und Management, Investor Relations als auch Corporate Communication, sind die Investor*innen. Regelmäßige und zeitnahe Kommunikation ist dabei ein ganz großes Thema für Scale-ups, weil Investor*innen kontinuierliche Updates über die Wachstumsstrategie, Umsatzstruktur, verschiedene Meilensteine und wie man diese erreicht hat, haben wollen. 

    In großen öffentlichen Unternehmen, sogenannten Corporates, muss man sich hingegen auf ein viel breiteres Publikum konzentrieren. Bei einer wachsenden Anzahl an Mitarbeitenden, wir sehen das jetzt auch bei waterdrop®, muss mehr Intentionalität dahinter sein, wie man Mitarbeitende über die wirklich relevanten Dinge informiert hält und die Kommunikation an Strategie und Zielsetzung angelehnt ausrichtet. Und natürlich gewinnen auch andere Stakeholdergruppen, wie Medien, mit steigender Unternehmensgröße zunehmend an Bedeutung. Wer sind wir als Unternehmen? Wer sind die Gründer*innen? Und woran glauben wir? Diese Fragen werden immer wichtiger und damit steigt die Komplexität, weil es nicht eine Botschaft pro Kanal für eine gewisse Dialoggruppe gibt, sondern die Kommunikation vernetzt und in Echtzeit erfolgt. Klare Botschaften, die authentisch, dem Unternehmen treu und relevant für die Dialoggruppen sind, sind entscheidend.

    In puncto Investor Relations ist definitiv ein großer Unterschied, dass Scale-ups einen häufigeren und direkteren Kontakt mit Investor*innen pflegen und CEOs oder Gründer*innen persönlich in Kontakt mit ihnen treten. In öffentlichen Unternehmen mit Berichtspflichten wird dieser Kontakt – und welche Informationen wie, wann geteilt werden können und müssen – natürlich stark reguliert. Stakeholder müssen gleichzeitig informiert werden, das ist sehr wichtig und unterschiedlich zu der Flexibilität in Scale-up-Unternehmen.

    Bleiben wir bei Unterschieden: waterdrop® ist ein in Österreich gegründetes und Western Union ein amerikanisches Unternehmen. Bemerken Sie in der Investor Relations Arbeit länderspezifische und kulturelle Unterschiede?

    In der Kommunikation mit Investor*innen sind definitiv kulturelle Unterschiede merkbar. Der “risk appetite” ist in den USA viel höher, was auch an der größeren Menge an vorhandenem Kapital liegt, was sich auch am Aktienmarkt zeigt. Das Investitionsvolumen ist ein ganz anderes als in Europa beziehungsweise in Österreich. Aufgrund der höheren Risikobereitschaft ist auch die Erwartung von schnellem Wachstum und höheren Gewinnen viel stärker. EU-Länder – und damit auch Österreich – fokussieren hingegen schon viel stärker den Bereich Nachhaltigkeit. Europäische Investor*innen wollen sehen, dass ein Unternehmen stetig wachsen kann und gleichzeitig Nachhaltigkeit auf der Agenda hat. Dieses Thema wird in den USA aktuell erst ausgebaut, in Europa sind die Regulierungen da schon viel fortgeschrittener.

    Neben der Kommunikation mit Investor*innen ist auch die interne Kommunikation mit Mitarbeiter*innen von kulturellen Unterschieden geprägt. Im Vergleich zu Österreich liegt in den USA in den vergangenen Jahren ein starker Fokus auf Themen wie Diversität und Inklusion. Besonders in der Kommunikation mit Mitarbeiter*innen ist es ein Muss, auf lokale Gegebenheiten einzugehen. International agierende Unternehmen sollten zu ihren Kernwerten stehen und diese länderübergreifend vertreten. Das ist in der internen Kommunikation wichtig, wirkt sich aber auch auf die Kommunikation mit Kund*innen aus.

    Bei dynamischen Scale-ups ist das Vertrauen von Stakeholdern in das Unternehmen entscheidend. Wie kann Vertrauen aufgebaut und aufrechterhalten werden, insbesondere bei wirtschaftlichen Unsicherheiten?

    Das Wichtigste ist es, zu dem zu stehen und das zu erreichen, was vorher versprochen wurde. Schafft das ein Unternehmen, aus welchen Gründen auch immer, nicht, muss das offen und transparent kommuniziert und Abweichungen zu Zielsetzungen und Plänen erklärt werden. Bei Scale-ups, die per Definition noch mit schlankeren Strukturen und geringer Planungssicherheit umgehen müssen, sind Vorhersagen zwar schwieriger als in einem stabileren Umfeld wie bei Western Union, es muss in der Kommunikation mit Investor*innen trotzdem einen klaren Plan geben, wo die Reise hingeht. Das ist natürlich auch bei waterdrop® eine Priorität. Um Vertrauen zu gewinnen, spielt außerdem Authentizität in der Kommunikation mit Investor*innen, Mitarbeitenden und Kund*innen eine wichtige Rolle. Besonders bei Mitarbeitenden wird Vertrauen aufgebaut und aufrechterhalten, wenn die Führungsebene entsprechend den Kernwerten handelt – auch, wenn niemand hinschaut.

    waterdrop® setzt bei der Medienarbeit stark auf Ambassadors wie Novak Djokovic, der selbst ins Unternehmen investiert hat. Kann das Verhalten von (investierten) Ambassadors ein Risiko für Investor Relations und Corporate Communication sein?

    Ambassadors wie Novak Djokovic bieten für Unternehmen wie waterdrop® große Chancen, weil sie ein enormes Potenzial und Reichweite mitbringen. Djokovic, als weltbekannter Tennisspieler und Botschafter für Nachhaltigkeit und “Healthy Hydration”, kann der Marke wertvolle Sichtbarkeit verschaffen. Trotzdem birgt die Zusammenarbeit mit Ambassadors natürlich auch immer Risiken, vor allem in Bezug auf Investor Relations und Corporate Communication. Unternehmen müssen sorgfältig abwägen, wie viel Kontrolle sie abgeben möchten und sich mit Ambassadors über einen Verhaltenskodex verständigen, der die Marken beider Vertragspartner*innen schützt. Außerdem sollten Unternehmen einen Krisenmanagementplan entwickeln, um auf unvorhergesehene Ereignisse vorbereitet zu sein.

    Erwarten Investor*innen, dass Unternehmen solche Krisenpläne oder Verträge haben, um auf potenzielle Shitstorms, wie den Vorfall mit Novak Djokovic bei den Australian Open, angemessen zu reagieren?

    „Reputation equals valuation“. Sobald Unternehmen eine Marke und somit Reputation haben, gilt es diese entsprechend zu schützen, um den Unternehmenswert zu erhalten. Investor*innen erwarten sehr wohl, dass Unternehmen in Krisensituationen vorbereitet sind, auch wenn sie keinen expliziten Krisenplan einfordern. Ein solcher Plan ist entscheidend, um angemessen auf Ereignisse reagieren zu können, die Investor*innen heutzutage oft ungefiltert von (sozialen) Medien erhalten. Das richtige Timing ist essenziell, um die Reputation zu schützen, wobei Authentizität und die Berücksichtigung der Unternehmenswerte von Bedeutung sind.

    Welche ESG-Themen spielen bei der Gewinnung und Bindung von jungen Investor*innen, speziell der Gen Z, eine Rolle? Und wie werden ESG-Themen von waterdrop® an Stakeholder vermittelt?

    Bei Unternehmen wie waterdrop® sind ESG-Themen definitiv auch für Investor*innen relevant. Die jüngere Generation zeigt ein Interesse daran, in Marken und Unternehmen zu investieren, die einen positiven Beitrag leisten. ESG spielt eine Rolle in Bezug darauf, wie Unternehmen mit Umwelt, sozialen Belangen und ihrer Führung umgehen. Bei waterdrop® nehmen wir Plastik und Zucker aus Getränken und bieten eine alternative, attraktive Option an. Kommunikation und Transparenz spielen bei der Kommunikation von ESG-Themen eine große Rolle. Zusätzlich tragen Auszeichnungen wie die EcoVadis Gold Zertifizierung, die waterdrop® kürzlich erhalten hat, zur Glaubwürdigkeit bei. Unternehmen sollten aber nicht blind in Zertifizierungen investieren, sondern überlegen, welche davon wirklich relevant sind, für Kund*innen, als auch für Investor*innen.

    Zum Abschluss wagen wir noch einen Blick in die Zukunft: Welche Trends sehen Sie in den nächsten Jahren in Investor Relations und Corporate Communication als besonders relevant und wie wirken sich diese Veränderungen auf Scale-ups wie waterdrop® aus?

    Generell sehe ich, dass Kommunikation in der Wahrnehmung von CEOs, Management und Aufsichtsräten an Bedeutung gewinnt. Während Investor Relations für das Management immer im Fokus stand, haben seit der Corona Pandemie interne wie auch externe Unternehmenskommunikation im breiteren Sinn einen neuen Stellenwert erhalten. Multi-Stakeholder-Kommunikation – mit Kund*innen, Mitarbeitenden, Investor*innen, Regulatoren oder Interessengruppen, wird wichtiger und es gibt einen Wandel in der Wahrnehmung der Rolle von Unternehmen in der Gesellschaft. Unternehmen müssen sich mehr auf Nachhaltigkeit konzentrieren und einen positiven Beitrag zur Gesellschaft leisten. Die Herausforderung besteht darin, wirtschaftlich zu arbeiten, in der Kommunikation authentisch zu bleiben und sich auf die relevanten Themen zu konzentrieren.

    Dieser Beitrag entstand im Rahmen der Lehrveranstaltung Content Creation des berufsbegleitenden Masterstudiengangs Digital Business Communications an der FH St. Pölten, mit den Schwerpunkten Corporate & Sustainability Communications, Investor Relations und Digital Reporting. Bei Fragen wenden Sie sich gerne an die Studiengangsleiterin Monika Kovarova-Simecek.

    Autorinnen: Sophie Pollhammer, Patrizia Schöppl, Johanna Wittner

    Expert*inneninterviews

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    FH-Prof. Mag. Kovarova-Simecek Monika

    FH-Prof. Mag. Monika Kovarova-Simecek

    Stellvertretende Leiterin des FH-Kollegiums Studiengangsleiterin Digital Business Communications (MA) Studiengangsleiterin Digital Management und Sustainability (MA) Stellvertretende Studiengangsleiterin Management und Digital Business (BA) Department Digital Business und Innovation